Alija Izetbegovic

 

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Alija Izetbegovic – Auszug aus einer Rede anlässlich der Hadsch im Mai 1994

Ich war einige Male in Mekka, habe die Umra verrichtet und die Gelegenheit gehabt die Kaaba zu sehen, aber dies ist ein anderes, besonderes Erlebnis.

Ich würde euch bitten, dass wir vor allem Allah danken, Der es uns ermöglicht hat, dass wir uns hier treffen. Das ist eine Wohltat und deswegen sollten wir ihm mit einem Du’a danken. (…)

Was soll man über die Hadsch sagen? Man könnte vieles sagen, aber ich werde nur einige Gedanken äußern.

Das, was mir als erstes in den Sinn kommt ist, dass die Hadsch Erinnerung bedeutet. Ihr werdet die Gelegenheit haben die Kaaba zu besuchen und ihr werdet Saij verrichten. Saij ist das Andenken an Hadschar und ihren Sohn Ismail. Das ist also eine Erinnerung und die Erinnerung ist es, was die zivilisierten Völker von den unzivilisierten unterscheidet. Sie haben jene Sache, die man Geschichte nennt.

Eine der Pflichten der Hadsch ist der Ihram, das Anziehen zweier weißer Stoffteile, welche wir alle heute angezogen haben. Das Anziehen des Ihram sehe ich als Erinnerung der Menschen daran, dass sie alle von einem Mann und einer Frau abstammen, dass sie sich an ihre Herkunft erinnern und dass sie sich in Erinnerung rufen, dass sie alle gleich sein könnten. Denn, wie ihr seht, während der Hadsch unterscheidet sich im Ihram nicht der König vom Bettler – alle sind gleich angezogen und alle sind barfuß. Dies ist vielleicht der unerfüllte Traum der Menschheit über (ihre) Gleichheit. Und dies ist meiner Meinung nach, eines der vielen Deutungsmöglichkeiten der Hadsch und des Ihram.

Die zweite Deutung des Ihram kann die über das Ende des Menschen sein, wie diese erste (Deutung) über seinen Anfang. Als ich gestern den Ihram angezogen hatte, kam mir plötzlich der Gedanke, dass ich so eines Tages, mit ausgestreckten Armen entlang meines Körpers, Gott entgegentreten werde, alleine mit meinen Taten, den guten und den schlechten.

Daher würde ich es mir wünschen, dass diese Hadsch vielen von euch ein Anlass zum Nachdenken wird und dass ihr euch etwas mehr dem Glauben widmet. Denkt nach und wisst, dass der Glaube nicht kompliziert ist, er ist einfach. Alle großen Wahrheiten sind einfach und für alle Menschen verständlich. Sie verlangen kein großes Wissen und Schulabschlüsse, sondern ein reines Herz und einen Willen. (…) [Auszug Ende]