Islamischer Kalender

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Der islamische Kalender (arabisch التقويم الهجري, DMG at-taqwim al-hidschri oder التقويم الإسلامي at-taqwim al-islami) ist ein reiner Mondkalender.[1]

Seine Kalenderjahre bestehen aus 12 Mondmonaten zu 29 oder 30 Tagen und sind im Durchschnitt etwa 354 13 Tage lang, also etwa 11 Tage kürzer als die etwa 365 14 Tage langen Sonnenjahre der christlichen Zeitrechnung. Demzufolge entsprechen 33 Jahre islamischer Zeitrechnung etwa 32 Jahren christlicher Zeitrechnung. In diesem Zeitraum wandern die Daten des islamischen Jahres einmal durch ein Sonnenjahr. So hat beispielsweise der Beginn des Fastenmonats Ramadan in jedem Folgejahr in der Regel ein 11 Tage früheres Datum in einem Sonnenkalender, wie z.B. im gregorianischen Kalender.[2]

Die islamische Zeitrechnung beginnt mit dem Jahr der Auswanderung (Hidschra) des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina. Nach christlicher Zeitrechnung war das im Jahr 622.[3] Jahresangaben nach der islamischen Zeitrechnung werden in westlichen Sprachen üblicherweise mit dem Kürzel AH (= Anno Hegirae) oder im Deutschen mit d. H. (= (im Jahr) der Hedschra)[4] versehen.

Der islamische Kalender und die islamische Zeitrechnung werden heute vorwiegend für religiöse Zwecke benutzt. Der Ramadan und die anderen insgesamt zwölf Mondmonate des Kalenders beginnen in vielen islamischen Ländern an demjenigen Tag, an dessen Abend erstmals nach Neumond eine dünne Mondsichel als Neulicht-Ereignis von einer religiösen Autoritätsperson beobachtet wird. Wegen der Abhängigkeit von der geografischen Länge kann das in verschiedenen islamischen Ländern ein verschiedenes Datum sein. Es gibt auch Vorausrechnungen für den Eintritt des Neulichts und somit auch für vorausbestimmte Kalender („zyklische“ Kalender),[5] die gleich wie aktuell beobachtete Daten wegen der Abhängigkeit des Neulichts von der geografischen Länge des Bezugsorts in verschiedenen islamischen Ländern ebenfalls voneinander abweichen können.

Da ein reiner Mondkalender für die Landwirtschaft unbrauchbar ist, hatte sich bis zum frühen 20. Jahrhundert überall in der islamischen Welt auch der Gebrauch von Solarkalendern erhalten. Heute wird in fast allen islamischen Ländern im Alltags- und Wirtschaftsleben der gregorianische (Sonnen-) Kalender verwendet.

Geschichte

Nach Angaben des Astronomen al-Biruni (973–1048), der 400 Jahre nach dem berichteten Ereignis gelebt hat, wurde die islamische Hidschri-Zeitrechnung im Jahr 638 christlicher Zeitrechnung vom zweiten Kalifen Omar ibn al-Khattab eingeführt. Der früheste Beleg für die Zählung, die im Jahr 622 beginnt, ist eine Inschrift Muawiyas I. auf Griechisch, die jedoch von der „Ära der Araber“ spricht. Dies hat zu Vermutungen geführt, erst die spätere islamische Tradition habe den Bezugspunkt „Auswanderung aus Mekka“ konstruiert. Die meisten alten Belege lassen offen, ob sich die Zählung auf die „Ära der Araber“ oder die Hidschra bezieht.

Der islamische Kalender mit seinen Monatsnamen geht auf den altarabischen Kalender zurück, der ein Lunisolarkalender war. Das Jahr begann im Herbst und bestand aus zwölf Mondmonaten, die wie im heutigen islamischen Kalender von Neumond zu Neumond gerechnet wurden; alle zwei oder drei Jahre wurde allerdings ein dreizehnter Monat angehängt, damit der Anfang des Jahres im Herbst beibehalten werden konnte. Dieser Schaltmonat wurde nasīʾ, „Verschiebung“, genannt, weil er den ersten Monat des neuen Jahres verschob.[6] Der Kalender diente vor allem zur Berechnung der Wallfahrts- und Markttermine. Vier Monate des Jahres galten als heilig: der Monat Radschab wegen der zu dieser Zeit stattfindenden Umra, der Monat Dhu l-Hiddscha und die beiden Monate davor und danach wegen des zu dieser Zeit stattfindenden Haddsch. In diesen vier Monaten galt eine allgemeine Friedenspflicht (vgl. Sure 9:36).

Nach der muslimischen Eroberung Mekkas wurde der Schaltmonat nasīʾ abgeschafft und auf diese Weise ein reiner Mondkalender eingeführt (vgl. Sure 9:37). Der genaue Zeitpunkt der Abschaffung ist nicht klar. Ibn Ishaq erwähnt sie sowohl für die von Abu Bakr geleitete Wallfahrt im Jahre 631 als auch für Mohammeds Abschiedswallfahrt im Jahre 632.[7] Das Zwischenschalten des Nasīʾ wird nach islamischen Glauben als heidnisches Gebaren und Eingriff der Menschen in die göttliche Weltordnung beurteilt.

Das reine Mondjahr mit seinen 354 Tagen wurde somit zur Grundlage für den islamischen Kalender und diente fortan zur Bestimmung der religiösen Feste. Da dieses Mondjahr für Ackerbau treibende Bauern jedoch nicht praktikabel ist, wurde in fast allen Ländern, in denen der Islam Wurzeln geschlagen hat, daneben ein Sonnenkalender weitergeführt:

  • im Maghreb der julianische Kalender, später der gregorianische, mit römischen Monatsnamen (yanayir, fibrayir, maris, abril usw.),
  • ebenso im Maschrek, jedoch mit altorientalischen Monatsnamen (kanun ath-thani, schubat, adhar, nisan, ayar, haziran, tammuz, ab, aylul, tischrin al-awwal, tischrin ath-thani, kanun al-awwal),
  • in Ägypten der koptische Kalender,
  • im iranischen Bereich der alte iranische Sonnenkalender, der jedoch das Jahr der Hidschra zum Ausgangspunkt genommen hat,
  • im Osmanischen Reich zeitweise der Rumi-Kalender, eine Variante des julianischen Kalenders mit Hidschra-Jahreszählung und Jahresbeginn zunächst im September, später im März.

Im Alltags- und Wirtschaftsleben wird aber seit dem frühen 20. Jahrhundert in fast allen islamischen Ländern der gregorianische Kalender verwendet. Auf dem Gebiet des Osmanischen Reichs wurde der Mondkalender offiziell zum 1. März 1917 durch den gregorianischen Kalender abgelöst.[8]

Für die Monate des gregorianischen beziehungsweise des julianischen Kalenders werden in manchen Teilen der arabischen Welt die bekannten europäischen Monatsnamen gebraucht, im Rest orientalische Monatsnamen. Im Iran sind die französischen Bezeichnungen in Gebrauch. Daneben gilt offiziell der iranische Sonnenkalender.

Der Mondkalender

Der islamische Kalender ist ein Mondkalender. Die Monate sind Mondmonate mit einer durchschnittlichen Dauer von 29,53 Tagen. In der Praxis haben die Monate eine Länge von 30 oder 29 Tagen. Der Kalender orientiert sich strikt an der astronomischen Beobachtung: Ein neuer Monat beginnt bei Neulicht, das ist der Moment nach dem Neumond, wenn zum ersten Mal am Abend nach Sonnenuntergang wieder die zunehmende Mondsichel beobachtet werden kann.

Zwölf Monate bilden ein Mondjahr. Dieses ist mit durchschnittlich 354,37 Tagen etwa 11 Tage kürzer als ein Sonnenjahr. Anders als bei Lunisolarkalendern wie etwa dem jüdischen Kalender oder dem chinesischen Kalender gibt es im islamischen Kalender keinen Ausgleich durch Schaltmonate. Deshalb verschiebt sich der Jahresanfang jährlich um etwa 11 Tage rückwärts gegenüber dem gregorianischen Kalender. 33 Mondjahre entsprechen etwa 32 Sonnenjahren.

Die Monatsnamen

Die Namen der Monate wurden vom alten, vorislamischen arabischen Kalender übernommen. Manche dieser Namen bezogen sich auf die Jahreszeiten. Aber die Namen verloren ihre ursprüngliche Bedeutung, als Mohammed den reinen Mondkalender einführte und dadurch die Monate durch die Jahreszeiten wandern.

Die folgende Übersicht gibt die arabischen Monatsnamen in arabischer Schrift und in lateinischer Umschrift an.

Arabisch Umschrift
مرحم Muharram
رفص Safar
لوألا عيبر Rabīʿ al-awwal
يناثلا عيبر Rabīʿ ath-thānī
ىلوألا ىدامج Dschumādā l-ūlā
جمادى الثانية Dschumādā th-thāniya
بجر Radschab
نابعش Schaʿbān
ناضمر Ramadān
شوّال Schawwāl
ةدعقلا وذ Dhū l-qaʿda
ةجحلا وذ Dhū l-Hiddscha

Einzelnachweise

  1. Der Prophet Mohamet hatte das Einschalten von Monaten zur Anpassung an das Sonnenjahr als „Entweihung dessen, was Gott geheiligt hat“, verboten. Vgl. Nikolaus A. Bär: Vorgeschichte und Ursprung der islamischen Zeitrechnung: Das Verbot der Schaltungen, [1]
  2. Nikolaus A. Bär: Der islamische Kalender: Das Jahr im islamischen Kalender, [2]
  3. Nikolaus A. Bär: Vorgeschichte und Ursprung der islamischen Zeitrechnung: Die endgültige Ausgestaltung des islamischen Kalenders, [3]
  4. Meyers Großes Konversationslexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Sechste, gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage. Leipzig und Wien, 1905–1909, Stichwort D (bei woerterbuchnetz.de)
  5. Im Koran ist nicht enthalten, wie zu verfahren sei. Nach islamischen Recht ist die Vorausberechnung eigentlich verboten, die traditionelle Beobachtungsmethode wurde als rechtsverbindlich erklärt. Vgl. Nikolaus A. Bär: Der islamische Kalender: Das Jahr im islamischen Kalender, Der Monat, [4]
  6. Vgl. dazu A. Moberg: Art. „nasiʾ“ in The Encyclopaedia of Islam. New Edition Bd. VII, S. 977.
  7. Vgl. Ibn Hischam: Kitab Sirat Rasul Allah. Aus d. Hs. zu Berlin, Leipzig, Gotha u. Leyden hrsg. von Ferdinand Wüstenfeld. 2 Bde. Göttingen 1858-59. S. 923 f. u. 968.
  8.  Vgl. Feroz Ahmad: The Making of Modern Turkey. London-New York 1993. S. 80.
  9. Die entsprechenden im 9. Jahrhundert n. Chr. entwickelten Rechenregeln sind in einer Schrift des arabischen Astronomen und Mathematikers Maslama al-Madschriti (10./11. Jahrhundert nach Chr.) überliefert. Vgl. Nikolaus A. Bär: Der zyklische islamische Kalender, [5]
  10.  Friedrich Karl Ginzel: Handbuch der mathematischen und Technischen Chronologie. Bd. 1: Zeitrechnung der Babylonier, Ägypter, Mohammedaner, Perser, Inder, Südostasiaten, Chinesen, Japaner und Zentralamerikaner, Leipzig 1906, S. 255
  11.  FAZ 17. Januar 2005

Quelle: https://de.wikipedia.org/